homify 360°: Bauernhaus feat. Beton

Elisabeth Liebing Elisabeth Liebing
Birg mich,Cilli! , Peter Haimerl . Architektur Peter Haimerl . Architektur
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In den letzten dreißig Jahren wurden im Bayerischen Wald die meisten alten Bauernhäuser abgerissen. Grund dafür ist die Ignoranz oder die mangelnde Wertschätzung gegenüber alten Häusern. Folge dieser Nicht-Wertschätzung ist, dass nach und nach die architektonischene Tradition in dieser Region verloren geht. Platz für das Alte findet sich beinahe nur noch in Bauernhaus-Museumsdörfern. 

Umso schöner ist das Projekt, das wir euch heute vorstellen, denn es vereint die Tradition mit der Moderne in höchst behutsamen Maße.

Gebaut wurde das ehemalige Bauernhaus im Jahr 1840. Die schriftliche Dokumentation zeigt, dass das Haus seinen Besitzer mehrere Male wechselte. Demnach wurden etliche bauliche Eingriffe unternommen, 1890 wurde z.B. der Dachstuhl angehoben. Die einstige Gestalt hat sich im Laufe des Jahrhunderts immer wieder verändert und musste sich den Bewohnern anpassen. Die letzte Bäuerin hatte den Namen Cilli Sigl und war auch Namensgeberin des Projekts, das den Titel trägt: Birg mich, Cilli. Als die Dame 1974 starb, stand das Bauernhaus erst einmal leer. Im Jahr 2008 nahm sich schließlich ein neuer Besitzer dem Projekt an und es galt drei grundsätzliche Regeln bei der Renovierung zu befolgen: Höchste Priorität war es bleibt fast alles, wie es ist. Das bedeutete bei der Umsetzung, die Stückelungen und Flickereien der Fassade sollten dringend erhalten bleiben. Die Geschichte sollte lesbar sein d.h. abblätternde Wandfarben, verschiedene Mauerstärken und die verwendeten Materialien nicht kaschiert werden, sondern in den Mittelpunkt des Entwurfes rücken. Als zweiter Punkt sollten neue Räume in den Bestand integriert werden und zu guter Letzt sollte Offenheit für das Alte geboten werden. Wie die sanfte Gestaltung durch den Architekten Peter Haimerl umgesetzt wurde seht ihr in den folgenden Bildern.

Bild

Hier blickt man in die Küche: Ein fast surrealer Eindruck entsteht, denn das Gezeigte gleicht einem gerahmten Bild und dennoch ist alles echt. Dem Betrachter fällt es schwer, das Gesehene in eine Zeitschublade zu stecken und gerade dieser Effekt wirkt sich zugleich verwirrend als auch faszinierend auf uns aus. In den wenigen zentralen Räumen des alten Bauernhauses, wie z.B. der Küche und der Stube wurden Kuben aus Beton platziert, in dem nun das zeitgemäße Leben stattfindet. Die Kuben wurden aus Leichtbeton mit einem Zuschlagstoff aus Schaumglasschotter gefertigt, der aus recyceltem Altglas hergestellt wurde und hochdämmend und umweltverträglich ist. Ein experimentelles Wechselspiel zwischen bewährter Tradition und moderner Tristesse wird bis auf Äußerste erprobt und geht an manchen Stellen wieder ineinander über und klammert sich in einigen Bereichen wieder aus. Dieser Effekt wird durch das Aufdecken der ruinösen Bausubstanz und durch das Schaffen der großen und untypischen Öffnungen in einem sonst so niedrigen Bauernhaus erzielt. Das Neue rahmt das Alte ein, stützt und schützt es.

Formensprache

Die Stube des Hauses markiert wie damals das Zentrum des Hauses. Ebenso wie in der Küche ist hier ein Betonkubus raumbildend und lässt Ausschnitte frei, die Einblicke in die Vergangenheit liefern: Die Fenster des Bauernhauses erlangen durch den rahmenden Werkstoff Beton einen ganz besonderen Auftritt und die richtige Wertschätzung. Traditionsbewusstsein wird durch die hölzerne Eckbank vermittelt, denn dieses Möbelstück darf in keinem Bauernhaus fehlen. Abgeleitet wurde der filigrane Korpus der Bank von der puristischen Formensprache des Betons. Relativ mittig lässt der Boden einen quadratischen Ausschnitt frei und enthüllt darunter sandigen Lehmboden.

Deckengestaltung

Hier sieht man die Decke über der Stube von oben, drei rechteckige Partien wurden der Decke entnommen. Die Aussparungen dienen nun als minimalistisches Dekor. Ein weiterer Vorteil ist die zusätzliche Lichtgewinnung, die durch die kleinen Freiflächen geschaffen wird. Die prägnanten Betonelemente im Inneren des Hauses nehmen keineswegs den Charme des Bestandes. Denn die nicht veränderte Raumaufteilung des Bauernhauses Cilli spiegelt vergangenes bäuerliches Leben wider: So beherbergt das Haus einen Stall, eine Stube, die den einzigen warmen Punkt des Hauses markiert, eine Austragskammer an der Nordseite des Gebäudes und einen Dachboden als Kornspeicher.

Ansicht

Nichts lässt einen von Außen erahnen, was sich im Inneren des Hauses verändert hat. Die Fassade steht wie ein Gerüst und bewahrt den Schatz der Tradition. Behutsamer kann die Modernisierung eines Bauernhauses wohl nicht verlaufen. Die Bilder des Bauernhauses Cilli stammen übrigens von dem Fotografen Edward Beierle, der den Fotografien anhand der Modelle Leben eingehaucht hat. 

Wenn ihr Interesse an weiteren Bauernhäusern habt, werft einen Blick in das Ideenbuch: homify 360°: Ein Stöckli in der Schweiz

Könnt ihr euch vorstellen, in solch einem Haus zu leben? Hinterlasst uns einen Kommentar!

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